Erlebnistrainings: Wichtig ist die Reflexion

Foto: Prohaska

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Im Gespräch mit …

Sabine Prohaska

…ist seit 1992 in der Erwachsenenbildung als Trainerin, Vortragende und Coach tätig. Sie ist Gründerin und Inhaberin von prohaska seminar consult, Wien, einem Unternehmen, das selbst Trainer, Dozenten, Berater und Coaches ausbildet.

Frau Prohaska, in manchen Event-Trainings balancieren Manager in schwindelnden Höhen über dünne Seile oder steigen in tiefe Höhlen hinab. Welche „besonders“ kreativen Trainingsprogramme sind Ihnen bekannt?

Zahlreiche. Die Angebotspalette reicht vom gemeinsamen Kochen, Malen und Musizieren über Höhlenexpeditionen und Rätselrallyes mit GPS bis hin zu Seminaren mit Pferden und Wölfen. Der Fantasie sind beim sogenannten Erlebnislernen keine Grenzen gesetzt.

Warum sind solche „alternativen“ Formen des Teambuildings so gefragt?

Unter anderem, weil viele Unternehmen die Erfahrung gesammelt haben, dass es ihre Mitarbeiter stärker zusammenschweißt, wenn diese gemeinsam eine Aufgabe oder Herausforderung meistern, als wenn sie nur gemeinsam im Seminarraum sitzen. Zudem bleiben die Lerninhalte besser haften, weil über das gemeinsame Erleben sogenannte Erinnerungsanker geschaffen werden.

Worin unterscheiden sich diese Event- Trainings von den klassischen Trainings für Führungskräfte generell?

Der zentrale Unterschied liegt im unmittelbaren Erleben – zum Beispiel, wie ein Team funktioniert. Oder wie eine Aufgabe gelöst werden kann, von der die Teilnehmer zunächst dachten: Das ist unmöglich. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass das gemeinsam Erlebte stets nur eine Metapher darstellt. Entsprechend wichtig ist die anschließende Reflexion: Welches Verhalten haben wir zum Beispiel beim Floßbauen gezeigt und was lernen wir daraus für unseren Arbeits- und Führungsalltag? Erfolgt diese Reflexion nicht, wird das Erleben zum Selbstzweck, da kein Transfer erfolgt.

Also eignet sich nicht jedes Event-Training für jedes Trainingsziel?

Richtig. Die Ausgangsfrage muss stets lauten: Welches Ziel möchten wir mit der Trainingsmaßnahme erreichen? Das Trainingsdesign muss sich sozusagen dem Lernziel unterordnen, sonst wird Letzteres schnell nicht erreicht. Hierfür ein Beispiel: Angenommen ein Unternehmen möchte, dass seine Vertriebsmitarbeiter stärker als Team agieren. Dann würde ich dem Unternehmen beispielsweise keinen Raft empfehlen. Denn wenn ein Boot einen reißenden Fluss hinabgleitet, dann muss ein Insasse ganz klar das Sagen haben und die anderen müssen sozusagen blind den Kommandos ihres Anführers folgen. Denn in Stromschnellen ist zum Diskutieren keine Zeit. Sinnvoller wäre es, gemeinsam ein Floß zu planen und bauen, damit sich jeder Teilnehmer mit seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten einbringen kann.

Welchem Zweck dienen Veranstaltungen, bei denen vor allem Abenteuer und Mutproben im Vordergrund stehen?

Sie verfolgen oft zwei Ziele. Zum einen das wechselseitige Vertrauen aufzubauen, da es bei den integrierten Übungen häufig um die Frage geht: Inwieweit kann ich meinem Kollegen vertrauen beziehungsweise inwieweit bin ich bereit, ihm zu vertrauen? Zum anderen geht es darum, eigene Grenzen wahrzunehmen und unter Umständen zu verschieben, zum Beispiel, indem man etwas tut, von dem man zunächst dachte: Das kann ich nicht. Solche Trainings kommen vor allem zum Einsatz, wenn in Unternehmen Veränderungen anstehen, die von dem Einzelnen neue Denk- und Verhaltensmuster erfordern.

Lenkt der Eventcharakter nicht von den eigentlichen Trainingszielen ab?

Das kann geschehen. Deshalb ist die Reflexion des gemeinsam beziehungsweise individuell Erlebten unter professioneller Anleitung so wichtig. Denn den Teilnehmern erschließt sich oft nicht unmittelbar, was hieraus für ihren Arbeitsalltag folgt.

Garantiert das eigene Erleben denn überhaupt einen besseren Transfer in den Berufsalltag als ein rein theoretisches Vermitteln der Information?

Aus der modernen Hirnforschung weiß man, dass Erlebtes – vor allem wenn es mit positiven Emotionen besetzt ist – langfristig im Gehirn verankert wird. Dies gilt jedoch nur, wenn es entsprechend aufgearbeitet und verarbeitet wird. Erfolgt dieses Aufarbeiten nicht, bleibt nur das tolle Erlebnis im Gedächtnis haften. Der Lerneffekt tendiert also gegen null. Wie erwähnt, ist für den Lernerfolg die positive Emotion, also zum Beispiel das Erfolgserlebnis, sehr wichtig. Deshalb sollten die Trainings die Teilnehmer zwar fordern, aber keinesfalls überfordern. Sonst ist die Gefahr groß, dass das Training zum Beispiel für manche eher unsportliche Teilnehmer zum Albtraum wird und das Gegenteil des intendierten Ziels erreicht wird.

Sollte die Gruppe eher homogen sein oder ist der Lernerfolg sogar größer, wenn die Teilnehmer sehr unterschiedlich sind?

Als Trainerin liebe ich es, mit heterogenen Gruppen zu arbeiten. Denn es ist spannend, die unterschiedlichen Herangehensweisen der Teilnehmer zu beobachten und in Lernerkenntnisse für alle zu transferieren. Hinzu kommt: Gerade bei heterogenen Gruppen ist oft ein Teambuilding wichtig, damit die erforderliche zwischenmenschliche Akzeptanz entsteht, um die Unterschiedlichkeit als Chance und wechselseitige Bereicherung zu sehen.

Was kosten solche Seminare eigentlich?

Das variiert stark. Wenn ein Team nur gemeinsam kocht, dann ist dies selbstverständlich günstiger, als wenn es auf Kamelen eine Wüste durchquert. Allgemein gilt: Die Kosten sind in der Regel höher als bei einem klassischen Seminar. Denn bei Seminaren, die stark auf ein Erlebnislernen speziell in der Natur setzen, ist oft neben dem eigentlichen Managementtrainer eine geschulte Fachkraft wie zum Beispiel ein Bergführer nötig. Außerdem benötigt man das passende Equipment.

Worauf sollten Unternehmen bei der Auswahl der Veranstalter achten? Woran können sie im Vorfeld erkennen, dass bei dem Training vermutlich etwas Sinnvolles herauskommt?

Wie bereits gesagt, ist das Erleben kein Selbstzweck. Vielmehr soll die gewünschte Veränderung erreicht werden. Deshalb sollten Unternehmen unter anderem darauf achten, inwieweit die Trainer aufgrund ihrer Biografie dazu in der Lage sind, die hierfür nötigen Reflexions- und Transferprozesse bei ihren Mitarbeitern auszulösen. Sie sollten auch darauf achten, dass das Seminardesign ausreichend Zeit für den Transfer vorsieht. Erleben und Be- sowie Verarbeiten müssen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.

Welche Anforderungen werden bei solchen Trainingsdesigns an die Trainer gestellt?

Sie müssen zunächst ausgewiesene Fachkräfte für die jeweilige alternative Trainingsart sein – also zum Beispiel bei Kletterevents erfahrene Bergführer oder -steiger. Das ist wichtig für die Sicherheit der Teilnehmer. Sie müssen aber auch die Arbeits- und Kommunikationsprozesse in Unternehmen kennen und persönlichkeits- oder teambildende Prozesse bei Menschen auslösen und verantwortlich begleiten können. Also sollten sie zum Beispiel eine Coaching- oder Trainingsausbildung haben. Eine Person allein kann diese Anforderungen oft nicht erfüllen. Deshalb kommen bei solchen Trainings häufig Trainerteams zum Einsatz.

Wohin geht der Trend bei den „alternativen“ Trainings?

Mein Eindruck ist: Der Trend geht weg von eher exotischen Designs, wie zum Beispiel dem gemeinsamen Durchqueren der Wüste, und Trainings, die eine Survival-Komponente haben. Stattdessen werden zunehmend Elemente wie gemeinsames Kochen oder der gemeinsame Besuch eines Hochseilgartens in die Seminare integriert – aus Kostengründen und weil viele Unternehmen registrieren: Auch so erzielen wir die gewünschten Ergebnisse.

Auf den Punkt gebracht, was ist besser: alternatives oder klassisches Training?

Auf diese Frage gibt es keine allgemeingültige Antwort. Das muss anhand des angestrebten Zieles stets neu entschieden werden. Auf alle Fälle sollten aber Kosten und Nutzen gut abgewogen werden.

Interview: Wilfried Dorsch

Quelle: personal manager 2/2011

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